____FILTERTALK · STILLE
/Philosophical Conversation
» filtertalks « ist ein Format, das eingestimmte Räume schafft für kollektive Hinwendung zu essentiellen & existenziellen Themen, die allgegenwärtig, universell & zeitlos unser Mensch-Sein und unsere Weltbeziehungen ausmachen. Gemeinsam erkunden wir darin lebensphilosophische Themen in kreativen Experimenten & facilitierten Gesprächen.
Sie weiten das Feld des Bewusstseins, verschränken Perspektiven und filtern Wesentliches. Dabei geschieht die Bewusstwerdung von neuen Zusammenhängen, einer erweiterten Sicht und vertieften Erfahrung fast wie von allein — auf eine natürliche und intuitive Art. Persönlich, wie kollektiv.
filtertalk · Stille
Ist Stille wirklich still—oder wovon erzählt sie mir? Was muss abwesend werden, damit Stille anwesend wird? Wie erlebe ich Stille—und was macht sie mit mir?
A N M E R K U N G :
Die Explorationen zum Thema Stille haben online stattgefunden und wurden nicht aufgezeichnet. Zu lesen sind sequenzielle Ausschnitte aus einem Gespräch mit 8 Teilnehmern. Sie geben Einblicke in den Verlauf und die Entdeckungen des Gesprächs. Zu Beginn haben wir Stille auf einem digitalen Board intuitiv gezeichnet: » Wie sieht Stille eigentlich aus? « Über das Beschreiben der Zeichnungen sind wir ins Gespräch eingestiegen.
» Stille zieht sich in Kreisen durch den eigenen Raum. Sie kommt und geht. Zwischen einatmen und ausatmen zum Beispiel, ist es immer still. «
» Ist Stille der Raum zwischen sich bewegenden Dingen? «
» Oder ein Pendel, das in Bewegung ist? «
» Ich könnte immer weiter Kreise zeichnen—es ist meditativ, es macht mich still. «
» Sind monotone Tätigkeiten Möglichkeiten, um in die Stille zu kommen? «
» Ist Stille ein Zustand oder ein Vorgang? «
» Ein Waldspaziergang, die Erfahrung in der Natur, das ist für viele Menschen eng verknüpft mit einer Assoziation von Stille und des zu Sich-Kommens. Dort kann man ohne jede Ablenkung sein. «
» Stille hat eine andere Frequenz. Eine andere Geschwindigkeit. Viele Dinge reißen einen fort, in eine schnell schwingende Frequenz. Stille schwingt langsamer. «
» Aber ist es in einem Wald wirklich still? Gibt es nicht die Stimmen von Vögeln zu vernehmen, dem Baumrauschen im Wind zu lauschen, einen Ast unter den Füßen brechen zu hören? Also eine ganze Reihe von Dingen, von Geräuschen, die "ablenken" können. «
» Wir reden über Stille, als ob es ein Luxusgut ist. Warum ist Stille nicht natürlich? «
» Was macht Stille so wertvoll? «
» Wo kommt man an, wenn man in Stille ist? Oder ist Stille ein Warteraum, ein Durchgangsraum für etwas? «
» Wie kommt man eigentlich in die Stille? Was braucht man dafür, um still zu werden? «
» Es kann einer Aufgabe gleichkommen in die Stille zu gehen, eine Art Überwindung sein, durch den Wirbel des Geschehens hindurch, sich die Zeit zu nehmen — einen Weg zu nehmen, um in die Stille zu gehen, dort ohne jede Ablenkung zu sein.
Aber wovon wird Stille abgelenkt? Und was macht den Prozess des Still-Werdens aus? "Runterkommen", um still zu werden. Wo ist man denn "drauf", wenn man nicht still ist? «
» Die Natur lässt einen in Ruhe. Sie will nichts von einem, sie zerrt nicht von Außen.
Sie ist auch nicht, wie die Menschen, ständig danach bestrebt etwas anderes sein zu wollen, als das was sie ist.
Dies permanente Wollen, das Menschen umtreibt, das kann anstrengend sein und ablenken von innerer Stille. «
» Ein Baum ist mit einem stillen Einvernehmen eingebettet in sein eigenes Sein. Wir Menschen dagegen fügen uns nicht — oder nicht mehr, auf eine natürliche Art in unsere Umgebung ein. Wir sehen uns irgendwie dem Drang ausgeliefert der Welt ständig etwas Neues, Anderes, Eigenes hinzu fügen zu wollen.
Wir streben meist danach etwas anderes sein zu wollen, als das, was wir sind, und eine sichtbare Veränderung in der Natur oder auch an uns selbst herzustellen. Unser permanentes Wollen, Hand anlegen und umgestalten, macht uns wenig still, sondern permanent sehr beschäftigt. «
» Sind Stille und Interaktion also ein Widerspruch? «
» Nicht unbedingt. Tiefe Gespräche beruhigen. Sie machen mich still." Es ist eher die Qualität der Interaktion, die Geschwindigkeit und das wirkliche mich-einlassen auf mein Gegenüber, diese wahre Begegnung und sich Zeit zu nehmen, so wie jetzt. Das erzeugt Stille in mir. Eine, in der ich mich verbunden fühle. «
» Da sind wir wieder bei dem Raum und den Kreisen, die die Stille darin zieht. Der Raum muss frei sein von Durcheinander und Ablenkung. Auch der innere Raum. Sonst ist Stille gar nicht wahrzunehmen.
Es muss ein "zu viel" von etwas wegfallen. Eine gewisse Aufregung, wie wenn ein Meer aufgepeitscht ist durch Wind. Oder dieses typische Beispiel, wenn man einen Stein ins Wasser wirft, der die Oberfläche beunruhigt. Erst wenn die Bewegung abebbt, kann man auf den Grund der Dinge schauen. «
» Ich glaube alles erscheint uns wertvoll, das ein rares Gut ist. Wir haben meist schlicht nicht besonders viel Stille in unserem Alltag. Wir behandeln sie sehr nachlässig, sehr unbewusst—und dann vermissen wir sie.
Ständig überlagern wir Stille mit den Aktivitäten unserer Gedanken, Ideen, Taten. Wir neigen dazu die Dinge eher in Bewegung zu bringen, als sie umgekehrt auch wieder still werden zu lassen. Plötzlich scheint es eine bewusste Entscheidung sein zu müssen, still zu werden oder in die Stille zu gehen, weil es vorher so unbewusst Verdrängung fand. «
» Stille ist Konzentration, durch die die Essenz der Dinge sichtbar wird. «
» Im Verhältnis schaffen wir viel mehr Aufgewühltheit und andauernde Bewegung, eine Unmenge an Reiz–Reaktions- und Interaktionsmöglichkeiten. Ein natürliche Zustand von Stille ist darunter teils kaum noch sichtbar. Wie überlagern die Stille. «
» Es gibt eine innere und eine äußere Stille. Und die bedingen sich einander. «
» Wenn es im Außen still wird, kann ich das irgendwie auch in mich selbst hinein absorbieren und daran innerlich still werden. Oder wenn es in mir still ist, überträgt sich das oft auch auf mein Umfeld—und es wird im Außen stiller.
Äußere Stille kann man nach innen holen, innere Stille kann man nach außen geben. «
» Also kann man Stille atmen? So, wie wir sprechen, kommt es mir vor, als ob man sie einatmen und ausatmen könnte. Über die Haut, die Luft?
Ist das diese Pendelbewegung von Stille, die wir am Anfang angesprochen haben? Ist der Atem das Pendel der Stille?
Ich denke an Seufzen, ausatmen — Inwiefern ist Stille etwas körperliches? «
» Vielleicht ist Stille ist das Zentrum aller Dinge und Körper, das sich bewegt, wenn es berührt wird.
Der wahre Wesenskern der Dinge, der ruhende Mittelpunkt von etwas, der, durch das An-klingen an etwas Be-stimmtes, mehr oder weniger in Schwingung & Bewegung versetzt wird — und so in seiner Qualität entweder Vertiefung oder Überdehnung erfährt — und dadurch mehr, oder nur noch minder wahr genommen werden kann. «
» Und die Geschwindigkeit, mit der die Bewegung stattfindet ist irgendwie ausschlaggebend für ein Gefühl von Stille. Vielleicht ist es auch gar nicht nur der Wald oder die "ruhigere" Umgebung, sondern das Laufen in einem eigenen Takt, diese Regelmäßigkeit der Schritte, die nicht unterbrochen und von etwas oder jemand Anderem künstlich verlangsamt oder beschleunigt werden. «
» Ein eigenes körperliches Tempo haben zu dürfen—spielt das für Stille eine wesentliche Rolle? «
» Gedanken sind ja auch eine körperliche Sache und meist Urpsrung dieser inneren Unruhe, die einen abhält davon in Stille zu kommen.
Dann geht man diesen Weg, macht einen Spaziergang, als diesen Prozess in die Stille zu gehen. Spazieren gehen verflüssigt das Denken. Aus einem Wald komme ich immer glücklich raus. «
» Ja. So wie du es sagst, ist Stille ist auch etwas, dass Räume dehnt.
Es ist die Pause, in die die Dinge hinein nachklingen und abklingen, wie ein Ton, den man zuvor angeschlagen hat.
Sie gehört eigentlich zu einer ganzheitlichen Erfahrung von dem, was wir wahrnehmen, obwohl wir sie gesellschaftlich betrachtet so sehr versuchen auszulöschen.
Vielleicht vermissen wir sie deshalb auf eine Art—und sie verkommt uns zu einem luxuriösen Sehnsuchtsort. Alles, was wir ausschließen, aber eigentlich ein natürlicher Bestandteil von etwas Ganzem ist, lagert sich ja irgendwann irgendwohin als eine Sehnsucht aus. «
» Eine natürliche Form von Rhythmus zu atmen, das passiert beim Gehen. Und das ist uns ansonsten ja eher fremd geworden, seit wir die Nacht zum Tag machen können— und technologische Zaubermittel erfunden haben, kommt so etwas wie natürlichewr Rhythmus durcheinander. Wir können ja quasi jede Weltbewegung zeitgleich greifen, aber eben auch ständig ergriffen und gegriffen werden können von fremdem Rhythmus.
Je mehr Welt wir uns verfügbar machen, so wie Rosa sagt, nehmen wir mal nur das Licht. sei es, dass wir uns durch Licht die Nacht verfügbar machen oder in Lichtgeschwindigkeit das andere Ende der Welt — seitdem beleuchten wir ja ständig etwas. Machen etwas sichtbar und erfahrbar und vergessen dabei, dass alles was wir sehen, hören, fühlen, erleben — also uns an Reizen ja auch körperlich einverlaiben, irgendwo in uns verarbeitet werden muss.
Wir begeben uns unbewusst in eine Situation, die uns zur permanenten Reaktion zwingt.
Und die Pause zwischen dem, was wir uns zumuten an Welt aufzunehmen, einzuatmen, uns ja im Grunde mit den Sinnen einverlaiben — und wieder auszuatmen, in dem Sinne, Welterfahrung wieder verdaut abzugeben — diese Pause von der wir gesprochen haben zwischen einatmen und ausatmen, wo Stille eigentlich immer da ist — die wird dadurch wahnsinnig eng. «
» Man müsste eine liebevolle Verbindung zu Stille wieder herstellen und neu kultivieren.
Das sie einem nicht noch fremder wird, und die Wege immer länger zu werden scheinen, sie erreichen zu können. Sondern, dass Stille allgemein hin ein viel selbstverständlicherer Teil ist, den wir am täglichen Geschehen Teil haben lassen.
Wenn Stille der wahre Wesenskern aller Dinge ist, dann ist sie ja immer da. «